Radek Baborák: Das Horn ist zutiefst mein Instrument

25.08.2022
Radek Baborák

Von den Unterschieden zwischen der Arbeit eines Solisten und eines Orchestermusikers, von dem Vorteil, den Erfahrung im Dirigieren einem Instrumentalist bringt, sowie von dem CORNO Brass Music Festival – ein Interview mit Radek Baborák.

Monika Wrzesińska: Zu dem CORNO Brass Music Festival kommen Sie nicht zum ersten und – hoffentlich – nicht zum letzten Mal. Was zieht Sie zu dem Festival in Zielona Góra (Polen) an?

 

Ich bin kein großer Festival-Besucher. Das CORNO Brass Music Festival ist für mich eine sehr große Ausnahme und das aus einem guten Grund: Die Leitung, die Organisation, die frohe Atmosphäre, das Gesamtkonzept von dem Festival finde ich außergewöhnlich gut. Ausgerechnet die Kombination von Unterrichten, Kammermusik, Dirigieren und Soloauftritten finde ich sehr interessant und reizend. Ich komme sehr gerne hin und – voraussichtlich – auch in den nächsten Jahren werde ich wieder kommen. Man kann einfach das Instrument in die Hände nehmen, etwas den Studenten zeigen, nach verschiedenen Farben und Effekten suchen – und das macht Spaß! (Lachen)

 

Sie sind derzeit nicht nur ein Solo-Hornist der aller Weltklasse, sondern auch ein hervorragender Kammermusiker und Dirigent. Bis vor fünf Jahren haben Sie aber für die größten Orchester der Welt gespielt, darunter an erster Stelle für die Berliner Philharmoniker. Wie unterscheidet sich Ihre aktuelle Arbeit von der als Orchestermusiker?

 

Der größte Unterschied liegt sicherlich daran, dass ich mir mein Repertoire sowie meine Konzertorte selbst aussuchen kann. Das bringt mit sich etwas an Risiko mit, gewährt aber einem freischaffenden Musiker die künstlerische Freiheit – das höchste Wert in einem kreativen Beruf wie Musiker. Für mich ist das pure Luxus und ich genieße es sehr – selbst mit den riskanten Phasen wie z. B. Covid-Pandemie. Es ist wie ein Schifffahrt auf dem Meer: Manchmal kann man das Wetter, d. h. die Zukunft, vorhersehen, manchmal geht das überhaupt nicht. Manchmal ist das Meer glatt und die Sonne scheint, manchmal ist es hingegen stürmisch und man muss ums Leben bangen. Ich fühle mich aber sehr wohl so.

 

Haben Sie also in den letzten Jahren nicht einmal darüber nachgedacht, zu dem Orchesterleben zurückzukommen?

 

Das nicht, ich spiele aber ab und zu mit einem japanischen Dirigenten Seiji Ozawa und in seinem Orchester oder manchmal auch mit dem Maestro Daniel Barenboin in dem Staatsoper Berlin. Sonst tatsächlich nichts mehr.

 

Man kann damit sagen, dass Sie sich nur ein schmales Tor belassen haben, um in das Orchesterspielen wieder einzuspringen, das aber nach eigenen Spielregeln: Nur insoweit es für Sie selbst attraktiv ist und solange es Ihnen Spaß macht. Und sonst haben Sie Ihre Freiheit als freischaffender Künstler und genießen Sie es in vollen Zügen.

 

Ja, genau. Allerdings seit einem Saison bin ich auch als Dirigent von West Bohemian Symphony Orchestra Marienbad tätig und kann damit selbst entscheiden, was für Stücke gespielt werden: welche Symphonie, was für ein Konzert usw. Dadurch trete ich wieder regelmäßig mit symphonischen Programmen auf, bloß meistens in einer anderen Rolle.

Wenn Sie jetzt seit einiger Zeit immer mehr dirigieren, könnten Sie uns vielleicht bereits sagen, ob und ggf. wie hat die Aufgabe des Dirigenten Ihr Leben als Musiker verändert? Hat es sich auf Ihr Hornspiel ausgewirkt?

 

Ja, es hat manches an meiner musikalischen Sichtweise leicht verändert. Man denkt immer ein bisschen anders, abhängig davon, ob man gerade als Solist, Kammermusiker oder Dirigent mitwirkt. Mir war immer wichtig, über Musik nachzudenken und vielleicht ein bisschen weniger üben, aber dafür z. B. über Phrasierung, über verschiedenen Farben und über Tonmalerei nachdenken. Und, seit dem ich auch dirigiere, das kommt auf mich intensiver zu.

 

Sie sprechen über die Farben und Feinheiten der Ton-Gestaltung. Schumann nennt das Horn „die Seele des Orchesters“: Hat sich Ihre Klangvorstellung für das Horn über die Zeit verändert? Was war – und derzeit ist – Ihr Klangideal?

 

Ich muss sagen, ich habe mit dem Spielen mit 8 angefangen und bin jetzt seit fast 40 Jahren mit dem Horn unterwegs. Der Horn ist zutiefst mein Instrument und spüre es ganz natürlich. Genauso natürlich fällt mir Spielen der Musik von Schumann, Brahms, Bruckner – und Strauss sowieso. Ich spüre auch es eine wichtige Verbindung zwischen Streicher und Bläser. Das mit dem Klangvorstellung hat sich tatsächlich ein bisschen verändert. Früher habe ich Vieles sehr schnell gespielt und die Virtuosität war für mich ein Priorität. Jetzt suche ich nicht mehr nach schnellen oder virtuosen Stücken, sondern möchte ich eher singen am Horn, quasi bel canto, wie z. B. Enrico Caruso, mit viel Vibrato im Klang. Meine tschechischen Professoren haben mir immer gesagt: Singen, singen, singen! Das ist jetzt mein Stil geworden. Also vielleicht eine Kombination der tschechischen und der deutschen Schule mit meinem eigenen Stil und meiner Fantasie.

Sie haben sowohl bei den tschechischen, als auch bei den deutschen Professoren studiert und sind als Hornist sehr erfolgreich geworden. Was würden Sie den Studierenden raten – was sollen sie anders oder gleich wie Sie machen, um später einen Erfolg zu feiern?

 

Ich bin ein Musiker, der immer viel gespielt hat, aber für die jungen Hornisten eigentlich kein besonders guter Vorbild. Bei mir ginge es nach dem Studium sehr schnell – ich habe gleich eine Stelle in einem Orchester bekommen und seit dann war ich 15 Jahre als Orchestermusiker tätig. Jetzt finde ich aber, dass es zu früh war. Mein Tipp an die Studierende wäre, die Studienzeit gut auszunutzen und verschiedene Möglichkeiten in Anspruch nehmen – vielleicht sogar die Studienzeit verlängern und viele unterschiedliche Erfahrungen sammeln. Ansonsten finde ich, dass die Ausstrahlung, das Charisma und die Liebe zur Musik des Professors einen erheblichen Einfluss auf den Studenten haben kann. Man legt bei dem Studium sehr viel Wert auf technische Perfektion. Wenn aber ein Professor einen Musiker inspirieren kann, dann ist das alle Wichtigste.

 

Wir bleiben noch ein bisschen bei dem Thema „Klang“. Sie haben mit dem Instrumentenbauer Dürk ein eigenes Hornmodell entwickelt: Hat die intensive Arbeit an der Bauweise des Horns Ihr Verhältnis zum Instrument und Ihr Spiel dauerhaft verändert?

 

Eins muss ich klarstellen: Es sind keine ganz neue Instrumente, sondern es wird immer ein traditionelles Model des Horns nachgebaut, bei dem Bau werden aber andere Materiale genutzt z B. es ist dabei die Blechqualität sehr wichtig. Es ist eine kleine Familienfirma, in der auf die richtige Konfiguration bei der Bau der Instrumente sehr geachtet wird und der eigene Anspruch ist, dass jedes Instrument genauso gute Qualität hat. Ich helfe Dietmar Dürk – dem Gründer der Firma – in dem ich die von ihm angefertigte Hörne ausprobiere und ihn berate, falls an einem Instrument noch etwas verbessert werden muss, um die von einem Besteller gewünschte Qualität zu erreichen. Mit dem Ergebnis unserer Arbeit sind wir sehr zufrieden. Es ist also keine Massenarbeit, sondern jeweils eine Spezialanfertigung nach konkreter Bestellung.

 

Wer bereits ein perfektes Horn besitzt, muss dann entscheiden, was er darauf spielen wird. Sie machen derzeit ganz unterschiedliche Erfahrungen und experimentieren gerne mit der modernen oder sogar populären Musik. Begleitet Sie dabei die Idee, in der Art und Weise dem breiteren Publikum das Horn als interessantes und vielseitiges Instrument darzustellen und es auch zugänglicher machen? Wollen Sie mit dem Horn die klassische Musik populärer machen?

 

Ich finde, man muss die klassische Musik nicht populärer machen, weil sie deutlich komplizierter als populäre Musik ist. In der Covid-Pandemie-Zeit habe ich aber zusammen mit meinen Freunden bei verschiedenen Projekten mitgemacht. Da nicht alle meine Bekannte bei der klassischen Musik geblieben sind, haben wir auf andere Gattungen zugegriffen und z. B. Bearbeitungen von Jazz-Stücken oder von etwa Piazolla-Stücken gespielt. Ich finde, man kann das Repertoire für Horn noch gut verbreiten. Man kann nämlich das Horn für jede mögliche Musik einsetzten und die Klangmöglichkeiten von Horn soll man auch breit ausnutzen. Das mache ich selbst sehr gerne und das macht mir viel Spaß.

Lassen uns noch ganz kurz zum Programm des CORNO Brass Music Festival sprechen. Für Ihr Solo-Auftritt haben Sie ein Konzert von Giovanni Punto gewählt. Warum?

 

Giovanni Punto war ein großartiger Horn-Virtuose. Er hat auf einem Naturhorn gespielt und das werde ich diesmal auch tun. Ich finde, das könnte für die Studenten interessant sein, das Konzert auf einem Originalinstrument zu hören. Bei dem Konzert werde ich auch als Dirigent auftreten, was die Veranstaltung noch spannender machen wird – das hoffe ich!

 

Sie haben als Hornist so gut wie alles erreicht. Haben Sie noch weitere Ziele oder Träume, die Sie in Erfüllung bringen möchten? Oder gerne behalten Sie das Status quo und werden einfach so wie bisher weitermachen?

 

Ich finde, dass Weitermachen kein all zu schlechtes Ziel ist. Es gibt in der Musik noch sehr viel zu tun und es gibt sehr viele Stücke, die gespielt werden können. Ich finde, ich bin noch nicht am Ende meines Weges und werde gerne verschiedene Möglichkeiten, Musik zu machen, heißt es als Hornist oder als Dirigent, in Anspruch nehmen. Mit der Musik einfach weitermachen, dabei Spaß und Freude zu haben – das ist für mich das Allerwichtigste.

 

Dann wünsche ich Ihnen, dass es so bleibt und dass Sie weiter fröhlich auf dem Horn vor sich singen und damit sich selbst und die Zuhörer glücklich machen. Vielen Dank für das spannende Gespräch!

 

Polnische Version des Interviews hier

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